Paul Carl über seine Kunst und seine Schaffensweise

Manfred Kütz Aachen

Paul Carl
Über den Maler und Bildhauer Manfred Kütz aus Aachen
über seine Kunst und seine Schaffensweise

 

Herr Kütz bat mich, für seine Ausstellung mit den Künstlern der Kunstakademie Düsseldorf, einen Bericht zu schreiben und einige Worte zu ihm und zu seiner Kunst zu sagen, da seine bisherigen Kritiker und Kommentatoren, Herr Museumsdirektor Kees Roos aus Heerlen und Herr Vorsitzender der Copermoelengesellschaft, Herr Rolf Koullen aus Vaals, inzwischen verstorben sind. Ich bin der Einzige noch Lebende, der ausnahmslos alle seine Arbeiten kennt, selbst die aus seiner Anfangszeit vor ca. 70 Jahren. Das kommt daher, dass ich zusammen mit ihm bis zum Abitur die Schulbank gedrückt und auch nachher mit ihm noch eng zusammengearbeitet habe.

Schon auf der Oberstufe des Gymnasiums fiel er als „bester Schüler-Künstler der Schule“ mit seinen Bleistift-, Kohle- Rötel-, Federzeichnungen, Linol- und Holzdrucken, Aquarellen und Ölmalereien auf, deren Technik er seinem Künstlervater Willy Kütz verdankte, aber ebenso mit seinen Tonarbeiten und Birnbaumholzschnitzereien. Vor allem seine Wachsradierungen wurden bereits auf der Oberstufe von der Galerie Matele’, Ursulinerstr. in Aachen nicht nur käuflich erworben, sondern sogar als „außergewöhnlich“ in Ausstellungen gewürdigt.

Schon während seines Kunststudiums bei Prof. Dr. W. Kurthen und Prof. Dr. W. Braunsfels hat er EINMAL-VOLLBRONZEN im Sandguss erstellt, von denen heute noch Arbeiten existieren wie seine erste Bronze, der „Große Keiler“ mit dem ausdrucksstarken, abstrahierten Kopf, den er nicht verkauft, weil er ihn seinem Enkel Felix versprochen hat, aber auch noch seine großen Park- und Gartenbronzen (auch im Euregio-Zoo), ferner die Bronzen des großen Tanz- und Musikantenbrunnens, aber auch einige der herrlichen Frauentorsi aus früher Zeit sind noch da und die abstrakte Vielraum-Stele.

Zu einem regtelrechten Bronze-Boom kam es bei ihm mit dem Aufkommen des Styrodurs. Er war der Erste in der Region, der mit diesem Werkstoff für BronzeEinmalmodelle (Vollbronze) erfolgreich experimentierte. Er war es auch, der bereits im 2. Semester seines Kunststudiums zu seiner eigenen VIELFARBEN-MALTECHNIK kam, die er bis jetzt mit 85 Jahren weiter ausbaute, damals u. a. noch mit Ölfarben, da es zu dieser Zeit noch keine Acrylfarben gab.
Schon von Beginn seines Kunstschaffens an gab es bei ihm Schaffensphasen, sowohl mit gegenstandslosen, als auch gegenständlichen Arbeiten, ob im grafischen, malerischen oder plastischen Bereich. „Ich kann das eine nicht tun, und das andere lassen“, sagt er immer. „Die Realistik packt mich genauso wie die Abstraktion. Das sind zwei Seiten einer Münze.“

Seine schweren Vollbronzen schuf er bis ins hohe Alter von 80 Jahren. Da wurde ihm dieses Schaffen körperlich zu schwer, da er alle Arbeiten (bis auf den Guss) immer selbst verrichtete, das aber stets mit einfachen Werkzeugen wie Bohrmaschinenvorsätzen. Das ist dann aber Schwerstarbeit, schwerer als mit leichten Spezialwerkzeugen, denn er wollte immer „nahe am Ursprung“ bleiben. Das Styrodur schnitt er mit einem heißem Iridiumdraht aus und bearbeitete es mit Holzwerkzeugen wie Raspel, Feile und Schleifpapier, zusätzlich erhitzte er aber auch alte Esslöffel, Eisenstichel und Eisenwerkzeuge aller Art mit der Lötlampe und brannte damit ganz tolle Strukturen in das Styrodur ein, die man in der Anfangszeit nur bei ihm und bei keinem anderen Künstler der Gegend fand. Auf diesem Gebiete der Bronze-Modellerstellung war er ein echter, erfindungsreicher und auch sehr erfolgreicher Autodidakt, dessen „gebrannte“ Bronzen sich einer großen Beliebtheit in ganz Westeuropa erfreuen.

Seit der Unabhängigkeitserklärung Kenias trieb es ihn, der neben Kunst und Kunstgeschichte auch noch Biologie studierte, jedes Jahr zwecks Wildtierdarstellungen nach Kenia, um Wildtiere wie Löwen, Leoparden, Geparden, Hyänen, Wildhunde, Antilopen, Elefanten, Nashörner, Flusspferde, Krokodile und Storchenvögel in freier Wildbahn zu studieren und vor Ort zu zeichnen, zu malen und zu Hause in Bronze zu gießen. In Kenia, Tansania und Uganda wurde er zu einem exzellenten und bekannten Tiermaler, der jedes Jahr in den 13 Hotels des African Safari Clubs seine Wildtiermalereien ausstellte. Wie es zu dieser intensiven Tiermalerei kam, dazu erzählte er mir folgende, höchst amüsante Geschichte: „Am ersten Tag meines Aufenthalte in Kenia kehrten wir rein zufällig in das gleiche Hotel (Silverbeach Hotel) ein, in dem der 1. Präsident des Landes – Jomo Keniata – eine eigene Privatsuite bewohnte. Genau gegenüber diesem Hotel hatte ich bei unserer Ankunft ein riesiges Sonnenblumenfeld entdeckt, das ich gleich nach meiner ersten Nacht in Afrika beim ersten Tageslicht mit meiner (monströsen) Schulterstativkamera für Makroaufnahmen besuchte, um Großaufnahmen von Insekten zu machen; ich jagte hier hinter Fliegenden Heuschrecken her, um ihre Porträts im Bild festzuhalten.

 

Plötzlich kreiste ganz, ganz tief ein Hubschrauber über mich, dem sich ein zweiter und bald sogar noch ein dritter zugesellte. Es dauerte nur wenige Minuten, da hörte ich rings um mich herum ein Rascheln in den reifen, trockenen Sonnenblumenblättern; und ehe ich mich versah, tauchten um mich herum Soldaten mit angelegten Gewehren auf, die auf mich zielten und laut „Hands up!“ schrieen, mich verhafteten, mir meine Schulterstativkamera grob und brutal entrissen und mich wortlos wie einen Schwerverbrecher in Richtung Hotel in Handschellen abführten, wo ich mit dem Gesicht zur Wand eine Weile stehen musste, streng bewacht von zwei kenianischen Militärpolizisten, die mich laut mit „Shut your mouth!“ anbellten, wenn ich die Ursache meiner Verhaftung mit fragenden Worten zu erkunden suchte.

Da dämmerte mir langsam des Rätsels Lösung: Meine Schulterstativkamera mit langem Makro-Bodenauszug musste an meiner Verhaftung Schuld sein. Die sah tatsächlich einer Schulterschusswaffe nicht unähnlich. Das versuchte ich hartnäckig meiner Bewachung stets mit Worten klarzumachen, doch immer und immer wieder mit dem gleichen „Shut your mouth!“ als Ergebnis, dabei drohten die beiden verbissen und bullig drein-schauenden Burschen jedes Mal, mit den Kolben ihrer Gewehre meine Rippen zu zählen. Das war nicht gerade spaßig.

Ich war da gar nicht in Ferienstimmung, an diesem ersten Ferientag in Kenia, weil jeden Augenblick Hotelgäste meine nicht gerade angenehme Kriminellen-Lage als Zeugen miterleben und „bewundern“ konnten, aber Gott sei Dank schliefen wohl gerade an diesem ersten Ferientag nach dem anstrengenden 10-Stunden-Flug in zwei Maschinen die Hotelgäste lange. Diese Blamage blieb mir also Gott sei Dank erspart.

Endlich, nach sehr langer Zeit, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, kam Leben in das Hotelfoyer. Ein Raunen ging durch Soldaten und Hotelpersonal, denn es erschien der Präsident der Republik Kenia, Jomo Keniata, höchst persönlich mit einem amüsanten und herzlichen Lachen auf seinen Lippen – eine stattliche, sympathische Erscheinung. Er befahl den Soldaten, mir die Handschellen abzunehmen, um sich mit Handschlag bei mir für das grobe Vorgehen seiner Leibwache zu entschuldigen. „Meine Soldaten waren wohl etwas zu eifrig um mein Wohlergehen bemüht. Deshalb haben Sie jetzt für den erfahrenen und erlittenen Schrecken einen dicken Wunsch bei mir offen, denn meine Leibwache hat noch nie eine solche Kamera gesehen und sie für eine neuartige Schusswaffe gehalten. Sie vermuteten ein Attentat auf ihren Präsidenten und schlugen entsprechend hart zu,“ sprach er in tadellosen Oxford-English. „Außerdem wird ab jetzt meine Spezialkellner SHAI Ihre Bedienung und die ihrer Familie als besondere Ehrengäste dieses Hotels mit übernehmen.“

Diesem „dicken Wunsch“ konnte ich sofort nachkommen. „Herr Präsident,“ antwortete ich schlagfertig. „Als Künstler mit großer Familie und vier Kindern kann ich es mir nicht leisten, wenn ich ständig ihre prächtigen Wildtiere zeichnen und malen will, die hohen Touristenpreise der Parkgebühren und Parkhotels zu zahlen, und außerdem darf man nie des Nachts auf Safari gehen. Können Sie da nicht etwas für mich und meine Familie arrangieren?“

„Ich werde darüber nachdenken und Ihnen umgehend Bescheid geben“, sagte er lachend und verabschiedete sich freundlich mit Handschlag von mir. Ich spürte sofort: Ich hatte einen neuen Freund gewonnen. Und tatsächlich! Ab sofort bediente uns sein tüchtiger und liebenswerter Spezialkellner SHAI („Tee“), und ich erhielt eine von ihm unter-schriebene Anweisung an das Parkpersonal, dass mir ab sofort und immer mit meiner Familie nur noch Parkgebühren für Kenianer zu berechnen und auf Wunsch auch hin und wieder eine Nachtsafari mit Begleitung zu gewähren sei. Und den Chef des African Safari Clubs bat er, wann immer ich das wünschte, mir Gelegenheit zum Ausstellen meiner Tiermalereien in den Hotels des Clubs zu gewähren. Davon machte ich, so lange Jomo Keniata lebte, in jedem Jahr auch Gebrauch, so dass ich bald schon einen Namen als Tiermaler in Kenia hatte. Das war auch der Anlass, weshalb wir über 40 Jahre jedes Jahr nach Kenia reisten, denn ohne diese Bevorzugung hätte ich mir diese vielen, vielen Parkbesuche gar nicht leisten können. Grschimek war ganz bestimmt nicht so oft in den kenianischen Parks wie ich.

Doch meine Tiermalerei hatte neben diesem außergewöhnlichen, aber sehr abenteuerlichen Anfang noch einen ganz anderen Beginn, der weniger angenehm und erfreulich im Ergebnis war, aber letztlich gerade dadurch bei mir zu meiner neuen Tiermaltechnik führte. Man hat mir ¾ Magen und ca. 60% des Dickdarms herausoperiert. Die Folge davon ist, dass ich jedes Mal bei einem neuen AfrikaAufenthalt die ersten Tage ganz enorm heftige Durchfälle habe, die mich drei bis vier Tage immer an das Hotelzimmer fesseln, dabei stets dann nur eine Schwimmhose tragend. Als „Ehrengast“ des Hotels wies man mir immer neben dem PräsidentenKellner CHAI die besten Zimmer im Parterre zur Beach hin zu. Da brauchte ich nur über ein 20 cm hohes Mäuerchen zu springen, um im angrenzen Palmenhain vor der Küste des Indischen Ozeans zu sein, in dessen Palmen eine Meerkatzenhorde immer ihr Nachtquartier bezog. Wichtig für mich war der umgekehrte Weg vom Liegestuhl im Wäldchen über das Mäuerchen zum Klo, denn diese Durchfälle funktionierten blitzartig. Weil Montezumas Rache mich sogar in Afrika (jedes Jahr) ereilte, standen Terrassen- und Badezimmertüren immer weit offen für meine Weltrekordsprünge zum Klo.

Ich stellte also am ersten Ferientag meinen Liegestuhl direkt vor das Mäuerchen und breitete um mich herum – wie das immer so meine ganz persönliche Art ist – die Aquarellfarbsteine greifnahe im Gras aus. Ich mag sie nicht im Kasten. Auf den Steinen selbst mische ich die Farbtöne und nicht, wie das ein ordentlicher Künstler macht, auf einer Kasten- oder Papierpalette. – Ich war gerade dabei, die herrliche SILVERBEACH zu aquarellieren, als Montezuma tückisch und urplötzlich zuschlug. Sofort ließ ich Aquarellblock, Pinsel und Farbsteine fallen und jagte Richtung Klo. So weit verlief alles „normal“. Doch als ich zu meinem Arbeitsplatz zurückkam, war es aus mit der Normalität, denn kein einziger Farbstein war mehr zu finden. Das war alles andere als normal.

Sofort hatte ich meinen Sohn Walter oder meine älteste Tochter Uschi in Verdacht, die das „Schabernackieren“ von ihrem Vater geerbt hatten. Töchterchen Eva war zu ernst dazu – wie ihre Mutter – und Nachkömmling Klaus noch zu klein. Während die Kinder auf dem ersten Tauchgang waren, durchsuchte ich ihre Schränke und vergaß dabei nicht, zwischen den Klamotten nach meinen Aquarellsteinen zu suchen. Doch vergebens! Die Farbsteine waren restlos alle verschwunden. Ich war ziemlich geknickt, denn das Malen von Wildtieren in den Ferien, darauf war ich total eingestellt, erst recht nach meiner Präsidenten-Sondergenehmigung. Meine Kinder zählten also nicht zu den Dieben. Stundenlang überlegten wir gemeinsam, wer denn der Farbendieb sein könnte, doch zu einem plausiblen Ergebnis kamen wir nicht, auch SHAI nicht und genauso wenig die Hoteldirektion. In meiner Verzweiflung suchte ich nach meiner Genesung nicht nur ganz Mombasa nach Aquarellsteinen ab, sondern auch später die Hauptstadt Nairobi, aber in ganz Kenia gab es nicht einen einzigen Aquarellfarbstein. Ich konnte deshalb nur in SCHWARZ-WEISS arbeiten.

Am Tag nach dem geheimnisvollem Diebstahl ging ich durch das Palmenwäldchen, als von oben plötzlich – ich traute meinen Augen nicht – ein Aquarellfarbstein aus den Palmwedeln herab direkt vor mir auf die Erde fiel. Ich schaute wie elektrisiert nach oben und entdeckte da zwei kluge, neugierige Meerkatzenaugen, die mich interessiert anschauten. Blitzartig erkannte ich die Diebe meiner Farben. CHAI sagte dazu: „Die haben die bunten Steine für Bonbons gehalten, auf die sie noch schärfer sind als auf Bananen oder andere süße Früchte. Deine Farbsteine kannst Du oben in den Palmwedeln suchen.“ – Auf dem Boden fanden wir nur sieben, mit denen ich nichts anfangen konnte, und da aus Kenia keine neuen Farben hinzukamen, blieb es bei meiner Schwarz-Weiß-Tiermalerei, die ich dann zu Hause mit ganz speziellen Farbkombinationen kolorierte. So kam ich durch die lausigen Affendiebe zu meiner neuen Tierma-lereitechnik, der bis heute zu immer eine Schwarz-Weiß-Arbeit zugrunde liegt. Ich habe den Affen also viel zu verdanken. Darum sind sie jetzt meine ganz speziellen Freunde – echte Kunstförderer, und das ohne einen Batzen Geld!“

Mit dieser Technik hat Manfred Kütz auf seinen jährlichen Ausstellungen in Kenia im Verlaufe von mehr als 40 Jahren einen Namen als bekannter Tiermaler erworben. Tierbronzen dagegen schuf er nur zu Hause, denn erstens gab es in Kenia keine Kunstgießereien und zweitens wäre ein Transport mit dem Flugzeug zu umständlich und auch viel zu teuer geworden. Zu seinen Tierbronzen sagt der Künstler: „Die starke Abstraktion meiner Bronzetiere verdanken sie der intensiven Begegnung mit der afrikanischen Stammeskunst, die das WESENHAFTE überbetont und auf das Unwesentliche und Beiläufige weitgehend, meist sogar ganz, verzichtet. Sie war ein Leben lang mein Vorbild. Afrika hat mich sehr stark (von der Form her) geprägt. Farblich dagegen gehe ich ganz eigene Wege. Wer meine Malereien genau anschaut, der entdeckt selbst im „unifarbenen“ Fell des Löwen, des Nashorns, des Elefanten oder Flusspferds die drei Komplementärkontraste des alten Johann Wolfgang von Goethe: GELB – BLAU, ROT – GRÜN und ORANGE-VIOLETT mit all ihren Mischtönen. Das trifft aber nicht nur auf die Tiermalerei, sondern auch noch auf restlos alle meine Malereien zu. Das war schon in meiner Schulzeit so, auf der Akademie, und das findet man auch noch in meinen Altersarbeiten.
Die Anregung zu experimentellem Malen verdanke ich ausnahmsweise nicht meinem Vater, sondern meinem Kunstdozenten der Akademie, Prof. Dr. WILLI KURTHEN, für den alles (das kann man wörtlich nehmen) „Kunstmaterial“ war, das in Malereien integriert werden konnte. Darum findet man auch in meinen Malereien, vor allem in denen der Frühzeit, viele Dinge, angefangen von der alten, vergammelten Farbtube über den ausrangierten farbigen Pinsel, den Kamm, den gesplissenen Strohhalm und den vergilbten Zeitungsabriss bis hin zu Fischgräten und glitzernden Christbaumkugeln, alles Mögliche und Unmögliche eingebunden. Das gilt aber nicht nur allein für meine Malereien. Auch für meine mächtigen Metall-Wandreliefs von bis zu 4 m (Deutsche Bank / Marienhospital / Luisenhospital Aachen / Rathaus Alsdorf) sammelte ich alle möglichen und unmöglichen Dinge beim Schrotthändler und verarbeitete sie zu Kunstgebilden, die auch ganz gezielt Rostteile oder stark patinierte Dinge enthielten, weil ich schon immer von der Poesie des Rostes und der Patina begeistert war. Auf Leinen und Papier erziele ich solche Effekte mit Bronzen und Essenzen.“

Beim letzten jährlichen Abituriententreffen erzählte mir Manfred Kütz, dass er eine Rundreise durch Südamerika unternommen hätte, die ihm im hohen Alter von über 80 Jahren noch Anregungen zu einer neuen Maltechnik und Malweise, sogar zu einem neuen Malstil gegeben hätte, zu einer ganz speziellen Form des NEUEN REALISMUS, die er „NEUER PARTIELLER GLANZMATERIALREALISMUS“ nenne, in der er die alte nieder-ländisch-barocke Feinmalerei (mit feinstem, kleinstem Pinsel / damals mit Ölfarben) mit hellen Lichtern und tiefen Schatten mit neuen, modernen Farbarten, aber auch mit Bronzen und patinierenden Essenzen verbinde und total scharf darstelle, gleichzeitig aber mit traditioneller Malerei kombiniere, meist gezielt unscharf, ohne dabei Ölfarben, sondern seine ganz eigene 6-FarbartenTechnik zu verwenden, die aus China-Ink-, Aquarell-, Gouache-, Acryl-, Lackfarben und Bronzen bestehe. Er erzählte mir u. a. dass er nur ganz bestimmte (partielle) Bildteile mit interessanten Oberflächen total realistisch und materialgerecht in niederländisch-barocker Manier und exaktester Feinmalerei darstelle, die anderen Bildteile dagegen in traditioneller, moderner Malweise wiedergebe – bewusst ziemlich unscharf und pastös – und damit zwei Malweisen in einer einzigen Arbeit anwende, ohne sie dadurch zu schädigen.

Auf seiner Südamerika-Rundreise traf er mit Grabschändern zusammen, die sich selber „Schatzgräber“ nannten. Taxifahrer brachten ihn zu diesen Leuten, die ihnen dann ihre glitzernden und glänzenden „Schätze“ zum Verkauf anboten. Diese von ihrer besten Seite zu malen zwangen Manfred Kütz von seinem abstrakten zu einem total neuen und realistischen Malstil. Ich habe diese seine neuen Malereien noch nicht gesehen, aber ich bin mir total sicher, dass es höchst interessante Arbeiten sein werden, wenn er selbst so begeistert davon ist. „In meinen Malereien wird Gold zu Gold, Porzellan zu Porzellan, Glas zu Glas, Plastik zu Plastik und Seide zu Seide“, sagte er. „Das ist ein totales Umpolen vom Abstrakten zum Realistischen, aber es macht einen Heidenspaß, vor allem, weil es handwerkliches Können (durch meinen Vater) verlangt und viel, viel Arbeitszeit erfordert. Das wird sich dann allerdings leider auch auf die Preise dieser Arbeiten auswirken.“

Er erzählte mir, dass er für seine neuen „PARTIELLEN GLANZMATERIALARBEITEN“ Collagen als Entwürfe anfertige, diese dann aber nicht als Collagen, sondern als reine Malereien auf die Leinwand bringe, so dass man in seinen neuen fertigen Arbeiten keine collagierten Teile antreffe, sondern nur bemalte Leinwand. „Mein Vater Willy Kütz, ein Bildhauer, Maler und Grafiker wie dessen Vater und Großvater ebenfalls,“ so erklärte mein Freund mir, „fertigte immer große Entwürfe für seine Leinwandbilder an, die meist im Verhältnis 1:1 lagen. Ich dagegen erstelle „Miniaturen“ (5×5 bis 15×15 cm) oder „Quadros“ (23×23 cm) als Entwürfe, an die ich unterschiedliche Farbgebungen besser testen kann, bevor ich sie dann in Originalgröße erstelle. Mein Kunstdozent empfahl mir schließlich, diese Entwurfsminiaturen wegen ihrer erstaunlichen Attraktivität den Leuten anzubieten, was ich seitdem auf jeder Ausstellung zu ganz ungewöhnlich niedrigen Preisen mache, so dass auch Leute mit dünnster Geldbörse wie Studenten Originalkunst statt Drucke erwerben können. Diese Miniaturen sind einfach ein Teil von mir. Zu jeder Kütz-Ausstellung gehören Miniaturen und Quadros in Kisten für Leute mit „schlankem“ Portemonaie. Das ist nun mal meine soziale Ader. 20 € das Stück halten alle Fachleute für Wahnsinn, zumal die Galeristen sie für € 250-300 verkaufen. So aber kommen Leute zu Kunst, die sich sonst nur billige Drucke leisten können.“

Zu seinen Ausstellungen ist zu sagen: Wegen der jährlichen Afrika-Aufenthalte stellte Manfred Kütz seine Bronzen und Malereien nur in einem festen, 3-4 jährigen Ausstellungszyklus oder Ausstellungsturnus oder Rhythmus aus, der in Deutschland (Aachen, Alsdorf, Düsseldorf)
begann, von hier in die Niederlande (Vaals, Heerlen, Maastricht), nach Belgien (Lüttich) und Frankreich (Paris) ging und in der Schweiz (Solothurn) endete. Seine schweren Bronzen zeigte er aber nur in naher Umgebung von Aachen, nicht in Paris und nicht in Solothurn, weil er vor deren Transport zurückschreckte. Diese beiden letzteren Städte kennen nur seine Kleinbronzen.

Zu seinen Bronzen ist noch zu sagen, dass sowohl menschliche als auch tierische Darstellungen im Anfang sehr schwer und massiv ausfielen, aber immer sehr stark abstrahiert waren. Seine frühen Frauentorsi hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit den archaischen Muttergestalten wie der Venus von Villendorf. Zehn Jahre später wandelte sich das Menschenbild dieser Bronzen zu ganz flachen, noch stärker abstrahierten Figuren, immer aber waren es, bis auf die Kleintierdarstellungen, Einmal-Bronzen nach Styrodurmodellen.

Nach dieser Periode erschienen bestimmt für 20 Jahre reine Abstraktionen, an die er mit gleicher Freude arbeitete wie an den Figurationen. Fast zu allen Schaffenszeiten konnte Manfred Kütz eine „Geschichte“ erzählen, so auch bei der „Geburt“ seines ersten Styrodurmodells, das er in schwarzem Gießsand einbettete. Dabei kam es zu einer nicht ungefährlichen Gasexplosion, als die flüssige Bronze an das Styrodur traf, da bis dahin noch niemand mit diesem neuen Material beim Gießen Erfahrungen gesammelt hatte. „Es gab einen schrecklichen Knall mit einer meterlangen Stichflamme, dabei flogen uns Styrodurteile und Gießsandbrocken um die Ohren, weil wir keine Gasabzugskanäle angelegt hatten,“ erzählte er grinsend, „doch Gott sei Dank kam niemand zu Schaden. Von da an stieß ich mit Schweißelektroden Kanäle in den Gießsand bis zum Modell. Durch diese Abzugskanäle zogen die Gase ab, und von da an gab es nie mehr Pannen beim Guss, selbst nicht bei den beiden komplizierten und dünnen Modellen wie dem feingliedrigen Hochradfahrer von Prof. Bex und dem Sackkarrenfahrer der Transportfirma Baumsteiger.“

Bekannt wurden neben seinen großen Garten- und Parkbronzen (Tierparks und Zoos) vor allem seine Pferde- und Reiterdarstellungen. Siebenmal bewarb er sich zwecks Erstellung des Ehrenpreises für das Aachener Reitturnier, siebenmal gewann er diesen Kunstwettbewerb und durfte die bronzenen Ehrenpreise erstellen, so auch für die Weltmeisterschaft und für die Europameisterschaft der Springreiter in der Soers, schwere Bronzepferde und Reitergruppen in Form von Einmal-Bronzen, die in alle Welt bis nach Kanada gingen. Seine Kleinbronzen – vornehmlich waren es Darstellungen von afrikanischen Wildtieren – wurden zu richtigen Sammelobjekten, die sogar in die USA, nach Kanada und Australien gingen. Interessante Großarbeiten finden sich auch in Zoos, Banken, Rathäusern, Verwaltungsgebäuden, Schulen, Krankenhäusern und Klöstern. Seine Miniaturmalereien fanden eine ähnliche Verbreitung wie seine Kleinbronzen.
Und jetzt bin ich neugierig auf seine neuen Arbeiten, auf seine „NEUEN PARTIELLEN GLANZMATERIALMALEREIEN“, in denen wir zwei unterschiedliche Maltechniken in einer einzigen Arbeit vereint finden sollen. Das alles mit über 85 Jahren zu schaffen, ist in meinen Augen eine bewundernswerte Lebensleistung. Herr Kütz erzählte mir, dass er mit 85 Jahren noch jeden Tag 8, 10 und manchmal auch 12 Stunden arbeitet. Hut ab vor soviel Einsatzbereitschaft!

Manfred Kütz zur neuen Arbeitweise 2013/14
Neuer arbeitsintensiver Malstil, neue Maltechnik und entsprechende Preisfestlegung

In den beiden letzten Jahren meiner künstlerischen Tätigkeit habe ich mich von der reinen ABSTRAKTION zu einer ganz eigenen persönlichen Form des „NEUEN REALISMUS“ entschieden. Anregung dazu gab meine Südamerika-Rundreise. Es waren nicht nur die glänzenden und glitzernden Oberflächen der Metalle, Buntmetalle und Edelmetalle, die verrosteten Metalle mit ihrer poetischen Patina, die man uns in den Anden anbot oder die glänzenden Wetterschutz-Plastikhüllen, sondern auch die stumpfen und matten Oberflächenstrukturen der gebrannten Tone, Terrakotten, Porzellane und Keramiken, sowie die glänzenden und leuchtenden Gläser, Kunststoffe und auch die schillernden Gewebe wie Samte, Seiden und Brokate, die mich zu einer ganz neuen, eigenen, REALISTISCHEN MALWEISE reizten und zwangen, der ich den Namen „PARTIELLER GLANZMATERIALREALISMUS“ gab, denn ich stelle nur ganz bestimmte (partielle) Bildtei- le mit ganz besonderen, faszinierenden Oberflächen völlig realistisch, materialgerecht und so naturgetreu dar, dass Interessenten meiner Arbeiten diese Teile immer wieder untersuchen und mit den Fingern abtasten, weil sie glauben, dass es sich um integrierte Fotos oder um Collagenteile handelt, was aber nicht der Fall ist. Hier gibt es nur Farben, Bronzen und Lacke auf Leinwand und nichts anderes. Lediglich der ENTWURF besteht aus einer Collage. Das Endergebnis, die fertige Arbeit, enthält keine Collagenteile, sondern nur Farbe.

Diese „besonderen“ Bildteile sind häufig als FEINMALEREI von der Art niederländischer Barockmaler mit starken Licht-Schatten-Kontrasten gehalten, aber nicht mit deren Ölfarben, sondern in meiner ureigenen, modernen 6-Farbarten-Malerei mit einer Kombination aus 1. China-Ink-, 2. Aquarell-, 3. Gouache-, 4. Acryl- und 5. Lackfarben, kombiniert mit 6. diversen Bronzen, Rost- und Patinaessenzen, jedoch die „weniger bedeutenden“ Bildteile sind in MODERNER MALWEISE (häufig bewusst unscharf und pastos) gehalten, so dass wir also zwei unterschiedliche Malweisen und Maltechniken mit ihren ganz besonderen Reizen (wie z. B. Komplementärkontrasten) in einer einzigen Arbeit antreffen, was den neuen und eigenen Malstil ergibt. Es ist eine gelungene Kombination von Herkömmlichem und Modernem, diese Form des NEUEN REALISMUS.

Mit dieser „neuen-alten-abgewandelten“ FEINMALEREI gewinnen die „besonderen“ (glänzenden, leuchtenden) Bildteile an Bedeutung, auch , wenn sie in der TRADITIONELLEN MALEREI bedeutungslos sind wie z. B. Maschendraht, Stacheldraht, zerbrochene Tonpfeifenstücke oder verrostete Dosen und Nägel, verschmutzte Farbkästen, alte, vergilbte Zeitungen usw. Diese sind ganz scharf (also bedeutungsvoll) dargestellt, während die unbedeutenden Teile meist bewusst unscharf (bedeutungslos) gehalten sind, dazu zählen auch Menschenantlitze wie die der „Schatzgräber“, die ihre Gesichter aus Angst vor den Behörden ganz bewusst verbergen wollen. Sie sind abgedunkelt = „zurückhaltend“.